Veröffentlicht am 03.03.2023

„Wir sind jetzt sekundäre Zeugen“ - Q2-Kursfahrt des Heisenberg Gymnasiums nach Auschwitz

Nach Corona bedingter Pause konnte dieses Jahr die seit 2012 bestehende jährliche Gedenkstättenfahrt ins polnische Oświęcim wieder stattfinden.

Am Mittwoch Abend vergangener Woche trafen sich die 46 Schülerinnen und Schüler mit ihren betreuenden Lehrkräften am Parkplatz des Heisenberg-Gymnasiums. Nach Verabschiedung von den Eltern mit Umarmung und aufmunterndem Lächeln und eher ohne ein „viel Spaß“, stiegen sie in den Bus, um sich auf eine zwölfstündige Nachtfahrt mit ungewohntem Ziel zu machen.

Diese zwölf Stunden boten Raum zur Einstimmung mit - für Jugendliche natürlich auch typisch - fröhlicher Stimmung, da man einerseits mit Freundinnen und Freunden auf einer Kursfahrt unterwegs war, andererseits aber auch mit gemischten Gefühlen und Gedanken, was wohl auf einen zukommen mag.
Um mit diesen Gedanken nicht alleine zu sein, waren von Beginn der Fahrt an stets zwei Kladden in Umlauf, in denen die Jugendlichen ihren Emotionen freien Lauf lassen konnten und sie Gelegenheit hatten, ihre Gedanken mit ihren Mitschüler*innen zunächst schriftlich zu teilen.

Erste Eindrücke der Stadt Auschwitz erhielten die Schüler*innen dann am Donnerstag während einer Stadtbesichtigung mit Besuch eines jüdischen Zentrums, einer Synagoge sowie eines Friedhofs, um Einblicke in das jüdisch-religiöse Leben sowie die Stadtgeschichte zu bekommen.

An den beiden Folgetagen standen die Besuche der Konzentrationslager Auschwitz I und Auschwitz - Birkenau im Zentrum des Aufenthaltes.
„Wir hatten hier die Möglichkeit, all das auch zu erfahren, wovon wir oft in verschiedenen Unterrichtsfächern schon so viele Informationen bekommen haben“; so die Eindrücke vieler Schüler*innen, die während zweier Führungen betroffen durch die verschiedenen Ausstellungsräume liefen.
Hier gab es zahlreiche Bilder von Insassen mit ängstlich-scheuen Blicken, aber auch mutigen und würdevollen. „Die Opfer haben Gesichter, die zu uns sprechen“, stellten manche fest.
Man sah ebenfalls u.a. Besitztümer von inhaftierten Menschen; Koffer, Kleidung und Geschirr, die sie im Glauben an eine andere Zukunft, aber dennoch an eine Zukunft den Lager-Kommandanten überlassen hatten.
Die Unfassbarkeit über den tatsächlichen Umgang mit diesen Menschen und die Konfrontationen mit den an ihnen begangenen unvorstellbaren Gräueltaten zeichneten sich auf den Gesichtern und in den Reaktionen der an denselben Orten gehenden Jugendlichen ab.
Ihre Eindrücke versuchten sie im Rahmen abendlicher Reflexionsgespräche in Worte zu fassen und äußerten sehr differenziert ihre Bestürzung über das Gesehene und die Ereignisse des Holocaust. Es erschien undenkbar, dass Menschen an anderen Menschen, die ebenso wie sie selbst Wünsche und Träume hatten, derart unmenschlich handeln konnten und formulierten das deutliche Bewusstsein der Verantwortung dafür, dass etwas Derartiges niemals wieder geschehen dürfe.

Ihr Mitleid über diese Geschehnisse wurde am Sonntag während eines berührenden Zeitzeugen-Gespräches zum Ausdruck gebracht. Hierbei berichtete die Überlebende Anna Janowska-Ciońćka, die die Schrecken der Nazi-Herrschaft mit ihrer Mutter und Schwester dank der Hilfe ihres Verwandten versteckt überstehen konnte, vom willkürlichen Morden Wilhelm Rosenbaums in der polnischen Stadt Rapka in den 1940 er Jahren, dem auch ihre Großeltern zum Opfer fielen.
Sie erklärte den Schüler*innen jedoch, dass nicht sie und ihre Generation sich entschuldigen müssen, es jedoch ihre Aufgabe sei, Geschichte weiterzugeben.
Diesen Auftrag haben die Jugendlichen verstanden, da sie im Rahmen einer kleinen Gedenkfeier feststellten „Wir sind jetzt sekundäre Zeugen und müssen mithelfen, damit so etwas nie wieder passiert. Wir müssen weitertragen, was wir gesehen und erlebt haben; auch an unsere Kinder.“

Im Rückblick und mit Ehrfurcht und Dankbarkeit beschlossen alle Teilnehmenden die Reise mit einem traditionellen Abendessen und Live-Musik in einem Restaurant im jüdischen Viertel Kazimierz.
Abschließend bot die bevorstehende, ebenfalls zwölfstündige Rückfahrt erneut Raum, damit zu beginnen, die gemachten Erfahrungen zu verarbeiten…

Tanja Tornberg

"Wir wissen, dass es euch gab."